Von Dennis Gauert
Die Front des Fiat Talento mutet mit den hochgezogenen Scheinwerfer-Außenkanten und LED-Tagfahrlicht in der Frontschürze zwar jung an, aber der Talento und bleibt ein Transporter. Alles ist ganz normal, bis der Glühschlüssel umgedreht wird und zwei Turbolader auf einem 1.6-Liter-Selbstzünder zu atmen beginnen. Der Talento ist mit seiner direkten Lenkung, 145 PS und knackig kurzen Schaltwegen ein aktiver Geselle. Und dabei trägt er über drei Tonnen Gesamtgewicht mit sich herum.
Fiat Talento: Direktes Fahrgefühl mit zwei Turboladern
Der Talento mit dem 145-Eco-Jet-Diesel fährt sich so, dass man während der Fahrt vergisst, dass man in einem Transporter sitzt. Dafür ist die hydraulisch unterstützte Zahnstangenlenkung verantwortlich. Das Lederlenkrad mit abgesetzten Nähten, sowie der Schaltknauf liegen griffig in der Hand, die Schaltung ist kurz und präzise. Der Durchschnittsverbrauch von 8,5 Litern (7 Liter sind bei sparsamer Fahrweise möglich) zeigt, dass der schnittige Italiener zu verführen weiß.
Dabei ist er gar kein schnittiger Italiener. Er ist Franzose. Und zwar die Fiat-Variante des Renault Trafic, der wiederum auf der Nissan-NV300-Bodengruppe rollt. Von den Franzosen stammt aber der Motor: Ein dCi 145, der sich mit dem Namen Eco Jet zwar attraktiver liest aber ansonsten identisch ist. Optisch ist der Fiat Talento ebenfalls kaum vom französischen Trafic zu unterscheiden. Das Gute daran ist, dass die Renault-Spezialisten bei der Basis des Derivates bereits Einiges richtig gemacht haben.
Hakeliges Bedienungskonzept
Das Cockpit ist trotz typischer Kunststoff-Anmutung auch im Fiat-Modell ansehnlich geworden. Offensichtlich ist, dass die Italiener viel aus dem Renault-Regal genommen haben. Die Staufächer und Armaturen sind nützlich und gut erreichbar. Das hingegen gilt nicht für die Handbremse, die sich der Fahrer auch im Jahre 2018 noch vom Boden aufsuchen muss – mit ausgeklappter Mittelarmlehne ein Kunststück.
Aber ein paar Eigenheiten dürfen verziehen werden. Schließlich ist der Fiat Talento ein Exemplar einer Klasse, in der die stärkste Motorisierung in Kombination mit Extras wie Rückfahrkamera, Start/Stopp-Automatik, 7-Zoll-Naviceiver mit Android und Apple-Kompatibilität knapp über 30 000 Euro kostet. Bei gut 23.000 Euro fällt der Startschuss zum Kauf.
Regen macht blind
Es gibt allerdings auch Dinge, die der Talento nicht kann – und das ist Bedienungskomfort. Die Start/Stopp-Automatik reagiert teils viel zu langsam auf Kupplungsbefehle, sodass unter Umständen peinliche Momente an der Ampel entstehen können.
Eine ungeklärte Frage bleibt auch, weshalb sich mit dem Lenkrad nicht ad-hoc die Lautstärke des Radios regeln lässt. Der Naviceiver mit 7-Zoll-Touchscreen beherbergt nämlich statt einem Lautstärkeregler zwei waagerecht angeordnete Knöpfe. Die reagieren erst nach einer kurzen Zeit, sodass eigentlich simple Funktionen während der Fahrt zu einer kleinen Nervenprobe werden können.
Das spannendste Extra, die Rückfahrkamera verrichtet ihren Dienst sehr gut – bis auf ein kleines Detail: Sobald es regnet, wird die Linse von Regentropfen vereinnahmt, was das digitale Auge nach hinten zum elektronischen Schätzeisen werden lässt. Die Parkdistanzkontrolle hingegen arbeitet einwandfrei und die Leitlinien sind auch im Regen noch hilfreich.
Fiat Talento: viel Platz für leichtes Arbeiten
Dabei bietet der Talento vollen Nutzwert. Mit einer angenehm zu bedienenden Schiebetür auf der Beifahrerseite und voll ausklappbaren Hecktüren können Ameise und Co. ruhig herannahen. Platz ist im Talento genug, nur die Höhe begrenzt den Spielraum. Durch eine zusätzlich zu öffnende Ladeluke ("Cargo Plus") können bis zu 4,15 Meter lange Gegenstände transportiert werden. Europaletten passen selbstverständlich quer.
Insgesamt sind beachtliche 949 Kilogramm Zuladung möglich. Das ist nicht besonders viel. Die kurze Variante steckt über 1,3 Tonnen ein, verfügt dann aber auch über einen deutlich kleineren Laderaum. Beim getesteten L2H1 sind es 6 Kubikmeter. In der L2H2-Variante sind es sogar 8,6 Kubikmeter und dann 1,89 Meter Innenraumhöhe statt 1,39 Meter.
Man sieht: Der von Fiat Professional angebotene Talento ist ein Nutzfahrzeug durch und durch. Doch bis auf die typische Kastenwagen-Geräuschkullisse aus dem Laderaum erinnert nichts an Verzicht. Der Federungskomfort ist ebenfalls angenehm. Der Transporter gleitet ausgeglichen über Bodenwellen und steckt mit seiner präzisen Lenkung auch so manche Kurvenstrecke in die Tasche.
Fazit Fiat Talento
Der Fiat Talento ist kein perfektes Auto. Auf Basis der Nissan NV400-Bodengruppe und Renault-Technik aber zuverlässig und durchdacht. Gerade deshalb, weil der Kastenwagen viele Funktionen mitbringt. Elektronische Bremskraftverteilung, Bremsassistent, Traktionssystem für schlechten Untergrund, Berganfahrhilfe und Gespannstabilisierung sind im Talento zu haben. Dazu viel Platz und fahraktives Transportieren. Negativ fällt aber das umständliche Bedienkonzept auf. Bei dem günstigen Basispreis sollte das aber nicht zu sehr ins Gewicht fallen.