Von Frederik Gruissem & Alfons Wolf
Um ein europäisches Fuhrparkmanagement kommen heute schon Mittelständler und erst recht Großkonzerne nicht herum. Gründe für eine internationale Aufstellung des Fuhrparkmanagement gibt es viele: Sei es, dass die eigenen Erzeugnisse im Ausland verkauft werden, dass ausländische Produktionsstandorte in die Wertschöpfungskette eingebunden sind oder der Vertrieb länderübergreifend Kunden erreichen muss.
Die DACH-Region ist aufgrund der mehr oder minder gemeinsamen Sprache für viele Unternehmen der erste Expansionsschritt.
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Länderspezifische Unterschiede
Vieles muss Ländersache bleiben, sei es aus Gründen der unterschiedlichen Gesetzgebung oder auch, um Image und Außenwirkung von Firmenflotten in ihrem hauptsächlichen Einsatzgebiet nicht anzutasten.
Allerdings wirkt im europäischen Flottenmanagement in der Regel kontraproduktiv, dass die meisten Fuhrparks lokal entstanden sind und der Grad der Professionalisierung im Flottenmanagement zwischen den einzelnen Standorten deutlich variiert.
Viele Dienstleister sind weiterhin nur national vertreten, was für einen Flickenteppich bei der Auftragsvergabe sorgt. Nur eine kleine Zahl unabhängiger Dienstleister ist auf europäischer Ebene neben den Leasinggesellschaften der großen Hersteller vorhanden.
Teils länderübergreifend identisch, teils individuell
Ein europäisches Fuhrparkmanagement besitzt einen länderübergreifend identisch aufgebauten Kern und einen länderindividuellen Teil. Zum Kern gehören die Themen Tankkarteneinsatz, Wartungs- und Werkstattmanagement sowie Fahrzeugfinanzierung.
Zum länderindividuellen Teil zählen Themen wie die Besteuerung der Flottenfahrzeuge aus der Perspektive des Mitarbeiters und des Unternehmens, aber auch Anforderungen an die Fahrzeug- und Fahrsicherheit sowie die Kontrolle des Führerscheins.
Axel Schäfer vom deutschen Fuhrparkverband erweitert die Perspektive: "Viele Anforderungen und Problemstellungen sind identisch. Das ist nicht nur im betriebswirtschaftlichen Bereich der Fall sondern auch bei Themen, die eine gesellschaftspolitische Dimension haben: Die Entwicklung hin zu alternativen Antriebsarten und die Frage, wie ein Antriebsarten-Wandel im Fuhrpark möglich ist, Fragen des Mobilitätsmanagement, z. B. unter Nutzung von Carsharing, autonomes Fahren können hier beispielhaft genannt werden."
Beispiel Österreich
Wer als Fuhrparkmanager einen Fuhrpark aufbauen soll, sollte die Besonderheiten der Länder kennen. Denn die Flottenfahrzeuge sind beispielsweise in Österreich allein schon durch steuerliche Belastungen 20 bis 35 Prozent teurer als in Deutschland. Verantwortlich ist die so genannte Normverbrauchsabgabe (NoVA).
Das Steuerkonstrukt mit dem sperrigen Namen sieht je nach Treibstoff einen Aufschlag von 0 bis 30 Prozent für Neufahrzeuge bzw. Erstzulassungen vor. Das ist aber nicht mit der Mehrwertsteuer zu verwechseln, die zu allem Unglück noch oben draufkommt. Zudem gibt es in Österreich keinen Vorsteuerabzug.
In Gesamteuropa gab es früher außerdem große Unterschiede bei den Listenpreisen, die sich aber nun weitestgehend einem gemeinsamen Niveau angenähert haben.
Fuhrparkverbände leisten Unterstützung
Hilfestellung bei solchen nationalen steuerrechtlichen Eigenheiten bieten die Fuhrparkverbände in den einzelnen Ländern, von denen der österreichische Verband sicherlich als bemerkenswert bezeichnet werden kann: Mit deutscher Unterstützung wurde er 2017 gegründet und kann bereits auf eine ansehnliche Mitgliederzahl als auch ein informatives Veranstaltungsprogramm stolz sein.
Der Obmann des Fuhrparkverbands Austria und Experte für den österreichischen Markt, Henning Heise, hat uns für diesen Beitrag spannende Einblicke in die Besonderheiten seines Landes gegeben.
Steuerrecht zieht weite Kreise
Aber zurück zum österreichischen Steuerrecht: Auswege aus den hohen Abgaben bietet ein von Finanzministerium definierter Ausnahmenkatalog. Auf der Liste finden sich rein elektrobetriebene Fahrzeuge, Nutzfahrzeuge und auch bestimmte Vans. NoVA und fehlender Vorsteuerabzug haben aber dennoch weitreichende und vielfältige Auswirkungen auf den gesamten Markt.
So ist etwa die Behaltedauer der Fahrzeuge deutlich länger als in Deutschland. Sie beträgt vier bis fünf Jahre, bzw. 150.00 bis 180.00 Kilometer. Dies wirkt sich dann auch auf die Häufigkeit der Werkstattbesuche und die Wertminderung aus.
Fahrzeugkategorien meist niedriger als in Deutschland
Aber nicht nur die Fuhrparkmanager, auch die Fahrer selber bekommen diesen Länderunterschied direkt zu spüren: Für alle Hierarchiestufen wird typischerweise eine Fahrzeugkategorie niedriger als in Deutschland zugeteilt. So darf sich ein deutscher Außendienstleister meist über einen Audi A4 oder eine Mercedes C-Klasse freuen. Das gilt in Österreich aber schon als ein Management-Fahrzeug.
Eine S-Klasse ist praktisch nur auf der höchsten Stufe bei Großkonzernen oder eigentümergeführten Unternehmen im Fuhrpark zu finden. Sonderausstattungen sind übrigens auch entsprechend teurer.
Dauernder Standort des Fahrzeugs entscheidend
Das setzt natürlich starke Anreize, bei der Zulassung zu tricksen. Wird allerdings festgestellt, dass ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen NoVA-pflichtig wäre, drohen Bußgelder bis zu 5.000 Euro. Ob ein Fahrzeug in Österreich zuzulassen ist und NoVA-abgabenpflichtig ist, bestimmt sich wiederum nach dem dauernden Standort des Fahrzeugs.
Zu Schwierigkeiten kommt es immer wieder, wenn Mitarbeiter deutscher Unternehmen im Außendienst tätig sind und ihr Vertriebsgebiet in Österreich liegt. In solchen Fällen bestehen österreichische Behörden in der Regel auf einer Zulassung des Fahrzeugs in Österreich und der NoVA-Abgabenpflicht. Der dauernde Standort des Fahrzeugs wird in diesen Fällen in Österreich gesehen.
Entscheidet sich dann der Arbeitgeber, den Dienstwagen in Österreich zuzulassen, stellt sich ein neues Problem: Das Unternehmen benötigt in diesem Fall eine Niederlassung in Österreich. Denn ohne eine dortige Niederlassung kann der Dienstwagen nicht umgemeldet werden. Im Steuerrecht werden traditionell viele Nationalismen gelebt und auch in anderen Ländern sind gerade in diesem Bereich viele Eigenheiten zu beachten.
Rechtssicherheit ist nicht immer ganz gewährleistet
Ein weiterer großer Unterschied besteht in der Leasingrücknahme: Eine Zustandsbeschreibung wie es der TÜV Süd anbietet und eine gewisse Toleranz bei Schäden, die der Abnutzung geschuldet sind, sind in Österreich nicht vorgesehen. Maßgeblich ist die ÖNORM V 5080, deren Anwendung erfahrungsgemäß schnell zu größeren Reparaturen und entsprechenden Auseinandersetzungen führt.
Ebenso ist das Operating Lease schwerer zu handhaben, denn dem Leasing-Nehmer dürfen nach einem österreichischen Erlass aus den Neunzigerjahren die Berechnungsparameter nicht bekannt sein. Zu Beginn kennt er keinen Restwert oder Zinssatz und kann daher sehr viel schlechter Angebote vergleichen.
Auch andere Regelungen bieten weniger Rechtssicherheit bzw. aus anderer Perspektive betrachtet Interpretationsspielraum: Die Führerscheinkontrolle ist in Österreich sinngemäß nach dem Gesetz in regelmäßigen Abständen durchzuführen, die nicht zu weit auseinanderliegen. Daher wird in der Praxis meist nur bei Übergabe des Fahrzeugs geprüft.
Der in Deutschland Standard gewordene RFID-Chip darf bei der Führerscheinkontrolle nicht verwendet werden, da nach österreichischem Recht der Führerschein ein Ausweisdokument darstellt und daher nicht verfremdet werden darf.
Besonderheiten bei der Ausbildung
Aufgaben für den Fuhrparkverband warten im Bereich der Nachwuchsbetreuung. Gängige Ausbildungsformate wie der zertifizierte Fuhrparkleiter von Dekra sind in Österreich nicht verfügbar, Learning by Doing ist bisher das Credo. Als Stützhilfe versuchen es manche angehende Fuhrparkmanager mit einer Ausbildung in Deutschland, aber diese Vorgehensweise krankt natürlich an der Übertragbarkeit des Wissens.
Der Fuhrparkverband Austria hat in seiner kurzen Geschichte besonders viele Mitglieder mit großen Fuhrparks gewonnen: Obmann Heise wünscht sich für die Zukunft auch Mitglieder mit kleineren Fuhrparks, denn gerade diese können von der Unterstützung des Verbands profitieren, etwa bei der Informationsgewinnung: So seien etwa die Verwaltungskosten pro Fahrzeug bei kleinen Fuhrparks überproportional hoch und es gebe ein entsprechendes Sparpotential.
Leasing-Land Österreich
Die Österreicher bevorzugen sehr klar das Leasen: Nach einer Umfrage des Fuhrparkverbands Austria sind 76 Prozent der Fahrzeuge in österreichischen Fuhrparks geleast und nur 24 Prozent gekauft. In den Fuhrparks herrschen die Marken aus dem VW-Konzern vor (34 Prozent Anteil am Neuwagengeschäft). diese sind besonders bei den österreichischen Behörden beliebt.
Die Dominanz von VW geht auf einen frühen Markteintritt des Autogiganten in den 50er Jahren zurück, obgleich die anderen Hersteller wie bspw. BMW in den letzten Jahren aufholen konnten. Bei den Modellen ist der Golf mit großem Abstand vorne, gefolgt von Polo, Octavia und Tiguan.
Mit Blick auf die vielen Verbindungen Österreichs zu Osteuropa ist nicht verwunderlich, dass unter den VW Marken insbesondere Škoda stark vertreten ist und ein absolut positives Image genießt. Europäisches Fuhrparkmanagement heißt dann auch, diese nationalen Präferenzstrukturen zu erkennen und zu berücksichtigen.