von Frank Jung
Freie Werkstätten sind besser als markengebundene Werkstätten. Wie man das über eine Kfz-Werkstatt so frech behaupten kann, fragen Sie? Na, dann schlagen Sie doch mal das Guinness Buch der Rekorde auf und schauen dort nach: Im Oktober 2015 stellten vier Mechaniker einen Weltrekord beim Räderwechseln auf. Mit einer Zeit von 58,43 Sekunden unterboten sie den alten Rekord um gerade einmal 1,12 Sekunden. Die ungeschlagenen Mechaniker: Mitarbeiter der Freien Werkstatkette Vergölst. Gut, seither könnte das Unternehmen in einigen Erklärungsnotstand geraten, wenn es um die Abrechnung des entsprechendes Stundensatzes bei dieser Dienstleistung geht, aber das ist das Problem von Vergölst.
Welche Qualität haben Freie Werkstätten?
Wer bei „Freier Werkstatt“ an den ölverschmierten Frickler von nebenan denkt, der im Hinterhof mehr schlecht als recht mit dem Schraubenschlüssel hantiert, der hat ein Bild aus vergangenen Tagen im Kopf. Freie Werkstattkonzepte zeichnen sich in der Regel durch hohe Kompetenz und ein breites Serviceangebot aus. „Qualitativ stehen wir den Autohäusern in nichts nach. Wir haben professionelle Mitarbeiter, das gleiche Equipment und wir verbauen natürlich Original-Ersatzteile. Klar, ich will nicht ausschließen, dass wir mal bei dem ein oder anderen exotischen Modell an unsere Grenzen stoßen, aber zum einen gibt es im gewerblichen Fuhrpark in der Regel keine Exoten, und zum anderen muss man auch sehen, dass wir schließlich nahezu alle Fahrzeugmarken reparieren können“, sagt Michael Bogateck, Verkaufsdirektor beim Anbieter Euromaster.
Wie lauten die Argumente?
„Auch im Service und der Prozessdurchgängigkeit sehe ich uns auf einem Niveau mit dem Wettbewerb. Einzig die Außendarstellung unserer Euromaster-Betriebe kann natürlich nicht mit den großen Autohäusern mithalten. Aber all das muss auch bezahlt werden. Und damit wären wir bei einem der schwerwiegendsten unserer Argumente: Euromaster-Kunden bekommen Rechnungen, die nicht selten nur halb so hoch sind wie die aus der Markenwerkstatt. Ob angesichts dessen der Kaffee immer noch ins Gewicht fällt, wage ich zu bezweifeln“, so Bogateck weiter.
Das komplette Interview mit Michael Bogateck lesen Sie hier
Tatsächlich liegt das unbestrittene Plus von freien Werkstätten gegenüber den markengebundenen ist der teils beträchtliche Preisvorteil bei annähernd identischer Leistung im handwerklichen Bereich. Marktbeobachter sprechen dabei von Preisvorteilen um bis zu 50 Prozent. Die meisten verbauen zudem Original-Ersatzteile, beschäftigen ausgebildete Kfz-Meister und Fachleute und können auch im Arbeitstempo den Markenwerkstätten das Wasser reichen.
Was nutzt ein Pflichtenheft?
Nach wie vor ein Manko vieler freier Werkstätten ist die Prozesskompetenz. Hier sollten sich potenzielle Kunden – abhängig von der Größe und den Anforderungen ihres Fuhrparks – eine Art Pflichtenheft für künftige Werkstattpartner erstellen. Was brauche ich, welche Dienstleistung ist wichtig, auf welche kann ich dagegen gut verzichten? Benötige ich Online-Terminvereinbarung, automatisierte Reparaturfreigabe, elektronische Rechnungsstellung oder Online-Reporting?
Welchen Anspruch haben die Freien Werkstätten?
Den Anspruch, hier in vielen Belangen mit den Markenanbietern mithalten zu können, hat zum Beispiel die Global Automotive Service (G. A. S.) die sich ausschließlich als Auftragssteuerer und Prozessabwickler versteht. Das Tochterunternehmen der Coparts Autoteile bietet Serviceleistungen und die Koordination aller Anforderungen rund um Mobilität an. Darunter fallen die professionelle Flottenbetreuung und das Unfallschaden-Management. Für Flotten- und Leasinggesellschaften stellt die G.A.S. ein Netzwerk für den Kfz-Service zur Verfügung, um Prozesse zu optimieren und für alle Beteiligten einen Zusatznutzen zu generieren. „Hinter uns stehen 1.500 angeschlossene Werkstatt-Partner sowie 400 Karosserie- und Lackierbetriebe, so Andreas Brodhage, Geschäftsführer der G.A.S, „wir bieten verschiedene Modelle, um die tagtägliche Arbeit von Fuhrparkmanagern zu erleichtern. Dazu zähle unter anderem die Prüfung der handwerklichen Arbeit, denn es sei auch Aufgabe der G.A.S., das Niveau der freien Werkstätten dem der markengebundenen anzugleichen. In einem Punkte jedoch sei genau dies nicht beabsichtigt – den Kosten: „Wir bekommen hier Kalkulationen auf den Tisch, da stehen Ihnen die Haare zu Berge. Deswegen kommen auch immer mehr freie Leasinggesellschaften auf uns zu“, berichtet Brodhage. Wo sonst der Unterschied liege? Brodhage: „In der Markenwerkstatt bringt Ihnen eine 22-jährige Mitarbeiterin einen Kaffee, bei uns hat die 22-jährige Mitarbeiterin einen Blaumann an!“
Das komplette Interview mit Andreas Brodhage lesen Sie hier
Welchen Vorteil bietet das Netzwerk?
Auf das Thema Preisdifferenz hebt auch Thorsten Schuckenböhmer von Vergölst ab: „Sie sparen bei den Kosten. Lassen Sie sich einfach ein Angebot erstellen und vergleichen Sie selbst. Abstriche in Sachen Qualität müssen Sie dabei allerdings nicht in Kauf nehmen. Wir bieten einen herausragenden Service, bei dem alles aus einer Hand kommt. Ein fundiertes Reporting ist für uns ebenso selbstverständlich wie ein starkes Netzwerk, das wir kontinuierlich festigen und erweitern. Am stärksten nachgefragt werden Autoservice, Reifenservice, Einlagerung, Reporting, Callcenter-Nutzung, Onlineterminvergabe und die zentrale Administration“, so Schuckenböhmer. „Jeder Kunde ist individuell und erhält auch einen individuell auf seine Bedürfnisse und die jeweilige Car-Policy zugeschnittenen Service. Dabei lautet unser Motto: „Wir sind für alle da – auch für Flottenkunden mit nur einem Fahrzeug.“
Wie zufrieden sind Kunden?
Wie sieht nun der für Freie Werkstätten typische Flottenkunde aus? „Zufrieden!“, antwortet Sven Kopplin, Verantwortlicher bei Bosch Car Service, mit einem Augenzwinkern. „Im Ernst, das ist unterschiedlich. Lokale Flottenkunden im Bereich der einzelnen Partner sind eher kleinere Handwerksunternehmen. Regional und national sind eher Behörden und Großunternehmen unsere Kunden - gekauft oder geleast aus verschiedenen Branchen und Funktionen. Zusammengefasst: unsere Kunden schätzen die preisgünstige, kompetente, und qualitativ hochwertige Arbeit unserer Partner, die auch durch die Unterstützung von Bosch mit Erstausrüstungskompetenz möglich gemacht wird.“ Auch Kopplin thematisiert die Kosten: „Erfahrungsgemäß werden Einsparungen gegenüber dem Servicenetz von Herstellern- und Importeuren erzielt. Mir sind wenige Fuhrparks bekannt, die aus Fahrzeugen ausschließlich einer Marke bestehen. Deshalb nutzen viele Kunden den Vorteil der Bosch Service Organisation: einen Ansprechpartner für alle Marken zu haben.“
Verbietet sich also scheinbar, freien Werkstätten „Hochstapelei“ zu unterstellen, so taten die Mechaniker von Vergölst genau dies: Neben dem Rekord im Refenwechsel stellten sie auch einen im -hochstapeln auf: 6,14 Meter!
Eine Übersicht zu den Anbietern von Freien Werkstätten finden Sie ebenfalls in diesem Artikel.