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Neues Messverfahren für Fahrzeuge

WLTP: Fragen und Antworten

Seit dem 1. September gilt für neu zugelassene Fahrzeuge ein neues Messverfahren zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes. Das Wichtigste auf einen Blick.

Von Sabine Neumann

Nicht erst seit dem Dieselskandal ist Autofahrern bewusst, dass die in den Prospekten der Fahrzeuge angegebenen Verbrauchswerte oft nichts mit dem realen Spritverbrauch zu tun haben. Das war aber auch gar nicht die Absicht des sogenannten NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), der seit 1998 galt. Es ging vielmehr darum, Fahrzeuge miteinander vergleichbar zu machen - und das unter möglichst reproduzierbaren und miteinander vergleichbaren Bedingungen. Die Lösung war eine Prüfung auf einem Rollenprüfstand mit streng definierten Parametern, die aber relativ wenig mit dem Alltagsgebrauch eines Autos zu tun haben.

Da Faktoren wie Masse, Luft- und Rollwiderstand den Kraftstoffverbrauch eines Autos aber maßgeblich beeinflussen, hat man sich seit vielen Jahren Gedanken um ein neues, repräsentativeres Prüfverfahren gemacht. In diesem Herbst ist es nun endgültig in Kraft getreten.

WLTP – was heißt das eigentlich?

Die Abkürzung "WLTP" steht für "Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure", also ein Messverfahren, das das Fahrverhalten eines Fahrzeugs weltweit abdecken soll. Am NEFZ wurde kritisiert, dass er nicht mehr repräsentativ für das durchschnittliche Fahrverhalten eines Fahrzeugs ist. Daher haben die Mitgliedsstaaten des 1998er-Abkommens der UNECE - alle europäischen Staaten, Japan, USA, China, Russland und Indien - in Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie beschlossen, neue Parameter für den Verbrauch und Schadstoffausstoß eines Wagens zu definieren. Weltweit gesammelte Fahrdaten sind ebenso in das Messverfahren eingeflossen wie die aktuelle Fahrzeugtechnik oder das Fahrprofil.

Was sich durch die neue WLTP-Norm ändert

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Worin unterscheiden sich die alte und die neue Messmethode?

Der neue Test setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Wie in der Vergangenheit wird das zu prüfende Fahrzeug zunächst auf einem Rollenprüfstand in einem streng definierten Fahrzyklus bewegt. Für jede Sekunde ist genau festgelegt, wann was zu geschehen hat. Aufgrund neuer Parameter und Regeln sollen die dabei ermittelten Werte alltagsnäher als der NEFZ sein.

Des Weiteren finden Messungen auf der Straße im echten Fahrbetrieb statt. Diese "Real Driving Emissions“ (RDE) tragen dazu bei, die entstehenden Stickoxide zu ermitteln, da diese nicht direkt mit dem Kraftstoffverbrauch zusammenhängen, wie es beim CO2-Ausstoß der Fall ist.

Auch die Umstellung auf die neuen klimatischen Bedingungen, unter denen der Test gefahren wird, hat mehr Einfluss auf den Spritverbrauch als man gemeinhin denkt: Der NEFZ wurde bisher bei einer Temperatur zwischen 20 bis 30 Grad Celsius durchgeführt. Im Rahmen des WLTP kommt das Fahrzeug vor dem Test zunächst über einen definierten Zeitraum von 12 bis 36 Stunden in eine Klimakammer bei zunächst 23 Grad Celsius, ohne dabei gekühlt zu werden (natural soak).

Da die Durchschnittstemperatur in Europa aber niedriger ist als im Rest der Welt, erfolgt ergänzend zur generellen Emissionsmessung anschließend noch ein Test, nachdem der Wagen sich neun Stunden in einer Umgebung von 14 Grad Celsius aufgehalten hat. Die Senkung der Starttemperatur erhöht den durch den Test ermittelten Verbrauch, weil das Öl in Motor, Getriebe sowie den Achskomponenten mit sinkender Temperatur zähflüssiger wird.

Apropos Öle: Nicht mehr gestattet ist der Einsatz spezieller Schmiermittel, welche die Reibung und damit den Verbrauch senken.

Außerdem konnten die Hersteller ihre Fahrzeuge bisher mit vollgeladener Batterie in den Test schicken und dafür sorgen, dass die Lichtmaschine den Akku während der Messung nicht wieder auflädt. Das nämlich kostet Motorleistung und erhöht den Verbrauch. Im Alltag aber würde der Wagen ohne das Aufladen nach wenigen Kilometern mit leerer Batterie liegenbleiben. Dementsprechend muss die Lichtmaschine künftig arbeiten.

Wie läuft die RDE-Phase ab?

Gemessen wird der Schadstoffausstoß mit einem mobilen Messgerät, dem "PEMS" (Portable Emissions Measurement System), das auch der ADAC einsetzt. Viele Rahmenbedingungen auf der Straße sind aber nicht zu standardisieren. Wetterverhältnisse, Topografie und persönliche Fahrweise können sich je nach Testfahrt anders als im Labor stark unterscheiden. Die Vorgaben zur Durchführung der RDE-Fahrt sind auch deshalb weit gefasst. Gefahren wird zwischen 90 und 120 Minuten, davon jeweils ein Drittel in der Stadt, über Land und auf der Autobahn. In letzterem Fall müssen Geschwindigkeiten zwischen 90 und 145 Kilometer pro Stunde erreicht werden.

Die Industrie hat es bei den Verhandlungen geschafft, dass die Euro-6-Grenzwerte bei den RDE-Fahrten für den Stickoxidausstoß übergangsweise um den sogenannten Konformitätsfaktor 2,1 übertroffen werden dürfen. 2020 sinkt der Faktor auf 1,5. Die Benziner werden zudem mit dem Partikelausstoß zu kämpfen haben, der für die Zulassungen ebenfalls gemessen wird.

Was wird eigentlich genau gemessen?

Am Ende eines Testzyklus messen die Ingenieure nicht den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch in Litern, sondern das Gewicht der im Abgas enthaltenen kohlenstoffhaltigen Bestandteile. Dazu zählt auch Kohlendioxid (CO). Wie der Verband der Automobilindustrie erklärt, kommen für den Prüfstandstest genormte Kraftstoffe zum Einsatz. Auf Basis des CO-Gewichtes und der auf dem Prüfstand zurückgelegten Strecke kann somit der Verbrauchswert direkt in Litern pro 100 Kilometer berechnet werden. Diese Form der Messung, die zu einer exakteren Bestimmung des Treibhausgases führt, wurde bereits in den 1990er-Jahren verbindlich vorgeschrieben.

Wie erkennt man, nach welchem Prüfverfahren ein Fahrzeug zertifiziert wurde?

Fahrzeuge, die seit dem 01.09.2017 ihre Typzulassung (neue Modelle und Motoren) erhalten haben (Homologation), wurden bereits nach dem neuen WLTP-Standard geprüft. Diese Fahrzeuge haben die neue Abgasnorm Euro 6c.

Seit dem 01.09.2018 müssen alle neuen Fahrzeuge eine Typgenehmigung bei der Erstzulassung nach dem neuen WLTP-Standard (EU-Norm 6c) aufweisen. Gleichzeitig trat die Norm Euro 6d in Kraft, welche die zusätzliche Messung auf der Straße vorsieht. Die hier ermittelten NOx-Werte dürfen um 110 Prozent (Konformitätsfaktor) von denen im Testlabor abweichen.

Manche Hersteller überspringen Euro 6c und zertifizieren ihre Fahrzeuge gleich nach Euro 6d-Temp. Ab 01.01.2020 tritt Euro 6d inklusive RDE verbindlich für alle neuen Typzulassungen und ab 01.01.2021 für alle Neuzulassungen in Kraft. Die auf der Straße gemessenen NOx-Werte dürfen ab der verbindlichen Euro-6d-Norm nur noch zu 50 Prozent (Konformitätsfaktor) von den im Labor gemessenen Werten abweichen.

Welche Auswirkungen hat WLTP auf die Car Policy?

Car Policys orientieren sich meist an CO2-Grenzen. Bei den dazu passenden Referenzmodellen handelt es sich bisher zumeist um Downsizing-Motoren, die ihre Vorteile vor allem im mittleren Lastbereich ausspielen. Das höhere Tempo und die stärkere Beschleunigung treffen diese kleinen Aggregate empfindlich, da sie bei der WLTP-Prüfung häufig im hohen Lastbereich fahren und die Verbrauchsdaten damit in die Höhe klettern.

Die großen Benziner hingegen werden nach Prognosen der Fachleute eher profitieren. Leistungsstarke Autos mit großem Hubraum und viel PS fahren bei der neuen Messmethode weitaus häufiger als beim NEFZ im unteren Lastbereich. Zudem sind sie auch in einem optimalen Gang unterwegs, da anders als bislang die Wahl des Gangs nicht mehr vorgegeben ist.

Das hat natürlich zur Folge, dass plötzlich wieder Modelle und Motoren bei der Dienstwagenauswahl zur Sprache kommen, die bisher ausgeschlossen waren. Eine Überarbeitung der Car Policy und deren CO2-Grenzen ist also unumgänglich. In diesem Zusammenhang kann dann auch gleich die Regelung der Bestellung von Sonderausstattung oder der Reifenwahl berücksichtigt werden, da ja auch diese Faktoren jetzt in den Verbrauchswert einfließen.

Einfluss von WLTP auf Bonus- und Malus-Systeme

Über die Auswahl der Fahrzeuge hinaus ist im Rahmen der Car Policy mitunter auch eine Bonus-Malus-Regelung für einen Fahrzeugnutzer verankert, wenn er mit einem Dienstfahrzeug mit höherem CO2-Ausstoß unterwegs ist. In diesem Fall kann es unter Umständen empfehlenswert sein, das System so lange auszusetzen, bis eine einheitliche Vorgehensweise der Hersteller und der Abgasnormen (hier von Euro 6b auf mindestens 6c/d-temp) stattgefunden hat.

Bei Fahrzeugen, welche bereits nach EU-Norm 6c oder 6d-Temp bestellt werden, könnte indessen überlegt werden, ob die CO2-Grenzen entweder beibehalten oder zeitweise durch andere Messgrößen wie PS-Stärke ersetzt werden könnten.

Welchen Einfluss hat WLTP auf die Kfz-Steuer?

Die Kfz-Steuer wird aus Hubraum und CO2-Emission berechnet. Eine Studie der Europäischen Kommission prognostiziert folgende Veränderung: "Unter Berücksichtigung der Zertifizierungswerte für CO2-Emissionen zeigen die Ergebnisse für Pkw ein durchschnittliches Verhältnis von WLTP- zu NEFZ-CO2 von 1,21 (gewichteter Durchschnitt über die Flotte)." Bei einem Fahrzeug mit 120 Gramm CO2-Emissionen unter NEFZ würde dies einen WLTP-Wert von etwa 150 Gramm ergeben. Für die Übergangsphase, in der WLTP-homologierte Fahrzeuge auf NEFZ-Werte zurückgerechnet werden, ist mit einem geringeren Anstieg der CO2-Werte zu rechnen.

Obwohl dem Bundesministerium für Finanzen bewusst ist, dass die Emissionswerte nominell mit WLTP höher ausfallen werden, sind Tarifveränderungen am Steuersatz oder durch Umrechnungsfaktoren nicht vorgesehen. Als Begründung ist auf der Internetseite nachzulesen: "Die stärker fahrzeugbezogenen und realitätsnäheren CO2-Prüfwerte werden in ihrem Einfluss auf die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer neutralisiert, vermindert, verstärkt oder verfälscht." Immerhin sollen die Auswirkungen nach zwölf Monaten geprüft werden.

Für welche Fahrzeuge gilt WLTP?

Bei allen neuen Pkw-Modelle, die nach dem 1. September eine neue Typengenehmigung benötigen, ist die Verbrauchsmessung nach WLTP zwingend erforderlich. Ab 2019 müssen für alle in Europa zugelassenen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge WLTP-Messwerte vorliegen.

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