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„Wir sind bei Prozess-Themen ein Schnellboot, insofern sind wir auch wendig“, sagt Marco Reichwein Geschäftsführer bei PS-Team.

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Interview

PS-Team: „Jede Menge Potenzial für alle Markteilnehmer“

PS-Team ist einer der führenden Anbieter im Bereich Mobility Services und Prozessoptimierung. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Marco Reichwein über die aktuelle Situation der Branche, die Lösungen und die Chancen.

bfp: Herr Reichwein, Sie sind seit April 2020 Geschäftsführer bei PS-Team. Was waren und sind Ihre größten Herausforderungen in den vergangenen 34 Monaten?

Marco Reichwein: Der Mobilitätsmarkt befindet sich in einem großen Wandel. Als PS-Team waren wir lange Zeit sehr auf das Fahrzeug und die Fahrzeugproduktion fokussiert. Davon wollen wir uns ein Stück weit lösen. Unser Kernbaustein ist es heute, Software-as-a-Service-Produkte zu entwickeln, die für unsere Kunden Mobilitätsprozesse digitalisieren, optimieren und damit einen deutlichen Mehrwert – etwa hinsichtlich Zeit- und Kostenersparnis – bieten. Das ist unsere Kernstrategie, mit der wir uns auch für die nächsten fünf Jahre sehr gut aufgestellt sehen. Ein zweiter wichtiger Bestandteil unsere Strategie ist Expansion: Das heißt wir sind momentan aktiv und auch erfolgreich darin, neue Märkte zu erschließen. In Polen sind wir bereits seit rund vier Jahren als Dienstleister tätig. Momentan bauen wir stark unser Geschäft in Frankreich aus – und anderem mit einer eigenen Niederlassung vor Ort. Das ist ein interessanter Markt, weil es der zweitgrößte Automobilmarkt in Europa ist. Dabei können wir den Vorteil unserer 35-jährigen Erfahrung und natürlich eine sehr gute Reputation bei unseren internationalen Kunden in Deutschland einbringen. Viele Türen gehen dadurch leichter und schneller auf. Insgesamt haben wir viele der aktuellen „Krisen“ sehr gut gemeistert und gehen zuversichtlich in die Zukunft.

Apropos „Krise“: Wie hat PS-Team die Liefersituation der Autoindustrie gespürt?

Reichwein: Das variierte tatsächlich von Kunde zu Kunde. Einige Vermieter bekamen noch ganz gut Neufahrzeuge, Andere hatten es deutlich schwerer, neue Fahrzeuge zu bekommen. Es ist klar, dass OEMs bei geringer Kapazität zunächst das margenstarke Geschäft bedienen. Und das sind nicht immer die großen Flotten unserer Kunden. Für uns als PS-Team bedeutete das vor allem, viel Zeit in die Prozessoptimierung zu investieren, um für unsere Kunden das individuell beste Ergebnis zu erzielen. Dazu gehört es auch, nicht nur den Neufahrzeugmarkt, sondern die Situation im Gebrauchtwagenmarkt im Blick zu haben. Natürlich können wir bei Bedarf für unsere Kunden Gebraucht-Fahrzeuge statt Neuwagen in die Flotte aufnehmen. Im vergangenen Jahr konnte man fast schon sagen: Wir nehmen alles, was vier Räder hat.

Wobei sich die Szenarien jederzeit ändern könnten …

Reichwein: Ja. Wir erleben im Moment mehrere Szenarien hintereinander und teilweise parallel zueinander. Zunächst das Coronaszenario: Niemand wusste, in welche Richtung sich das entwickelt. Da wurde sehr hektisch aus- und wieder eingesteuert. Für den Markt bedeutete das für einen gewissen Zeitraum sehr viele Gebrauchtfahrzeuge – und im nächsten Moment eine Fahrzeugknappheit. Dann hatten wir die Halbleiterkrise, die andauert, in dem Sinne, dass es in manchen Bereich eng wird auf dem Angebotsmarkt – während wir bis 2019 jährlich steigende Fahrzeugregistrierungen verzeichnen konnten. In dieser Gemengelage war es sehr schwer prognostizierbar, was in den nächsten Monaten passiert. Seit Ende 2022 scheint sich die Situation etwas zu bessern. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend in 2023 weiter festigt.

Was heißt das für Sie als Anbieter?

Reichwein: Für uns als Dienstleister bedeutet das, sehr genau jeden Einzelnen unserer Kunden zu betrachten und individuelle und optimale Maßnahmen zu treffen – je nachdem ob der Kunde flexiblere Systeme oder einen angepasste personelle Betreuung benötigt. Und natürlich wirken sich diese Faktoren auch auf den Gesamtmarkt aus: Das beginnt bei Leasinggesellschaften bereits beim Risikomanagement von Neuverträgen und reicht über die Inflations- und Zinsentwicklung bis hin zur Restwertprognose. Denn auch die Restwertentwicklung ist aktuell nicht mehr so vorhersehbar, wie es etwa noch in den Jahren 2018, 2019 war. Eines steht meines Erachtens jedoch fest: Die durchschnittliche Haltedauer und der Stellenwert von Kfz im betrieblichen Mobilitätsangebot werden sich ändern. Und alle Akteure müssen lernen, damit umzugehen.

„der Stellenwert des KFZ“: Was bedeutet das in der Fuhrparkpraxis?

Reichwein: Wir sehen es konkret auch in unserem eigenen Fuhrpark. Ich konnte entweder kein neues Fahrzeug bestellen – oder musste, wenn ich bestellte, je nach Modell mit einer Lieferzeit zwischen 3 und 12 Monaten rechnen. Das ist zwar im Moment teilweise auch noch so, aber die Situation bessert sich langsam. Noch vor einiger Zeit gab es Marktsituationen, in den Fahrzeuge umgehend verfügbar waren. Das ist ein riesiger Unterschied: Und er bedeutet: entweder den Mitarbeitern andere Mobilitätskonzepte zur Verfügung zu stellen – oder einfach: die Haltedauer zu verlängern. In der Hochphase der Lieferengpässe war der Trend so, dass die meisten Kunden eher die Leasinglaufzeiten verlängerten. Das gab es bislang so nicht und hat sicherlich den Markt verändert.

In welche Richtung hat sich der Markt verändert?

Reichwein: Er hat sich – und das nur als ein kleines Beispiel von vielen - dahingehend verändert, dass die Leasingunternehmen eine längere Haltedauer einplanen müssen. Damit steigen zuerst natürlich auch die durchschnittlichen Wartungskosten für die Fahrzeuge. Für Fuhrparkleiter bedeutet das: Die TCO-Quote steigt. Und dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Rentiert sich das Fahrzeug überhaupt? Das Restwertmanagement gerät ins Schwanken, der komplette Gebrauchtwagenmarkt hintendran gerät ins Stottern. Das sind die Rahmenbedingungen, in denen wir uns aktuell bewegen.

Und das ist erst der Anfang ….

Reichwein:  Genau. Wir hatten diese Entwicklung bereits – und der Konflikt in der Ukraine tut seit seinem Ausbruch im letzten Jahr sein Übriges dazu – dass prinzipiell ganze Märkte im Moment verschwinden für den so genannten „zweiten Markt“ der Fahrzeuge: Die Zweit-, Dritt-Verwertung – bis hin zum Recycling. Natürlich werden diese Einflüsse erst mit der Zeit sichtbar. Es wird notwendig, eine komplette Zulieferindustrie, die dadurch wiederum den Weltmarkt verändert, neu aufzubauen. Aber das wird wahnsinnig lange dauern, bis da die Kapazitäten wiederhergestellt sind. Das heißt, die langfristigen Entwicklungen, die sich momentan vollziehen, werden deutlich länger dauern als die der Corona- oder Halbleiterkrise. Momentan gilt: Keiner weiß so richtig, wo es hingeht, aber wir sehen das Licht am Ende des Tunnels.

Und dieses Licht heißt „Alternative Mobilität“?

Reichwein: Nein, es geht derzeitig nicht um finale Lösungen, sondern nur um Annäherungen und die Wege dorthin. Für uns geht es im Augenblick auch darum, zu testen, welchen Mobilitätsmix stellen wir denn selbst unseren Mitarbeitern zur Verfügung? ÖPNV-Ticket. Bahncard, Pool-Wagen? Dasselbe gilt für den Bereich Elektromobilität: Es wird allerdings spannend zu sehen sein, ob die Abkehr vom Hybridfahrzeug durch die Einstellung der staatlichen Förderung kurzfristig eher eine Zunahme der reinen Elektrofahrzeuge bedeutet oder ob eine Rückkehr zum Verbrenner zu beobachten sein wird.

Die Nutzererfahrung bei Hybridfahrzeugen ist meist sehr positiv und dann kommt, relativ schnell, auch das Interesse an einem reinen E-Fahrzeug. In der Summe sehen wir bei unseren Kunden langfristig einen klaren Trend Richtung Elektromobilität. Das wird ohnehin, auch angesichts des Verbrennerverbots auf EU-Ebene, so kommen. Insofern muss sich jedes Unternehmen in seiner betrieblichen Mobilität darauf einstellen und etwa die Grundlagen, in erster Linie Lademöglichkeiten, dafür schaffen. Dazu kommt der Einschnitt, den die Corona-Krise und damit verbunden Home-Office gebracht hat: die Zunahme von Videokonferenzen. 

Handelt es dabei um ein vorübergehendes oder ein dauerhaftes Phänomen?

Reichwein: Ganz klar dauerhaft. Man merkt sogar auf dem Weg zur Arbeit, etwa auf der A3, dass der Verkehr weniger geworden ist. Das gilt für die Pendlermobilität, aber auch für Dienstreisen: Wenn man sich überlegt: Früher flog man für ein Meeting für eine Stunde von Hamburg nach München. Heute gibt es stattdessen eine Videokonferenz. Diese Entwicklung spart natürlich auch Geld im Unternehmen - insofern ist es für Unternehmen durchaus sinnvoll, was da passiert.

Das bedeutet in der Entwicklung aber auch Einschränkungen für Mobilitätsanbieter ….

Reichwein: Ja, das ist richtig. Für Mobilitätsanbieter ist diese Situation natürlich nicht optimal, wenn insgesamt weniger Mobilität genutzt wird. Zum Zweiten kommt dazu aber auch als Chance, der ganze Mobilitätswandel, so dass man auf mehr Mobilitätskonzepte setzen muss. Früher war der Dienstwagen der Dienstwagen, dazu gab es vielleicht noch das Flugzeug. Das war das Mobilitätskonzept eines Unternehmens für die betriebliche Mobilität. Heute muss im Prinzip ein ganzes Portfolio aus Carsharing- über Uber-Modelle bis hin zum E-Scooter gemanagt werden. Mit dieser Entwicklung muss die betriebliche Mobilität auch ein Stück weit mitgehen. Das bedeutet für Unternehmen, sich zu überlegen: „Welchen Mobilitätsmix stellen wir unseren Mitarbeitern zur Verfügung?“, um damit die betriebliche Mobilität auf mehrere Standbeine zu stellen.

Insofern erschließen Sie jetzt auch neue Geschäftsfelder fürs Unternehmen – wie den Handel mit der THG-Quote?

Unser THG-Quotenservice ist für uns, im Gegensatz zu den meisten anderen Anbietern am Markt, in erster Linie eine konsequente Erweiterung unseres Angebots an kundenorientierten Services und erst in zweiter Linie eine neue Einnahmemöglichkeit. Für unsere Kunden macht es Sinn, wenn wir diesen Dienst mitanbieten: Bestandskunden müssen für die Beantragung der THG-Quote nichts anderes tun, als uns damit zu beauftragen. Wir überweisen. Wir haben die Daten, wir kennen die Prozesse. Also gehen wir mit unseren doch recht hohen Volumina und unserem Netzwerk am Markt nicht über einen Vermittler, sondern verkaufen direkt an die Mineralölkonzerne. Auf diesem Weg erzielen wir zum einen sehr gute Erlöse für unsere Kunden und bieten ihnen zugleich einen prozessoptimierten, einfachen Zugang dazu.

Das klingt sehr entspannt.

Reichwein: Ja, wir sind da auch ziemlich entspannt, weil wir als digitalisierter Anbieter genau in diesem Bereich sehr gut aufgestellt sind und ziemlich schnell reagieren können. Wir haben alle Daten vor Ort, das heißt: Der Kunde muss sich um nichts mehr kümmern. Er gibt die Abtretungserklärung und bekommt dann nach einer gewissen Zeit die Quote für sein Auto. Wir sind bei solchen Prozess-Themen ein Schnellboot, insofern sind wir auch wendig: Nehmen wir das Thema THG-Quote: Dafür brauchen wir als PS-Team anderthalb Monate. In dieser Zeit steht das Komplettkonzept inklusive System, inklusive Abwicklung, inklusive Verträge mit den Mineralölkonzernen. Inklusive allem.

Also geht es mittlerweile mehr um Prozessoptimierung und datenbasierte Mobilitätslösungen?

Reichwein: Exakt. Und In diesem Bereich kommen wieder unsere Flexibilität, unsere Erfahrung und unser Netzwerk bis hin zur Zusammenarbeit mit Ministerien zum Tragen. Wir können die Daten managen, wir können die Daten verarbeiten, wir können sie per Schnittstelle in andere Systeme bringen, wir können Sicherheitssysteme schaffen, damit etwa der Hersteller XY diese Datenhoheit behält und sauber managen kann. Und hierbei handelt es sich klar um einen Wachstumsmarkt: Telematikdaten werden den Markt ein Stück weit verändern. In der Nutzfahrzeugbranche ist die Nutzung von Telematik, bei der Erfassung der Lenkzeiten bis hin zur Steuerung der Kühlsysteme, schon viel weiter fortgeschritten als in der Kfz-Branche. Im Prinzip lässt sich über die Sensorik im Auto jeder Unfall nachvollziehen: Nutzer können den Schaden schon fast komplett bestimmen und den Restwert, den das Fahrzeug hat, sie können direkte Reparaturangebote erstellen, sie können Ersatzteilversorgung damit steuern usw.. Wenn wir die gesamte Kette der Telematik-Möglichkeiten einmal nachvollziehen, vom Sensor im Auto bis hin zur dahinterstehenden Logistik- und Servicekette, dann besteht da noch viel Potenzial für alle Marktteilnehmer.

Mit der Digitalisierung von Prozessen entfällt zugleich auch ein Teil Ihres eigenen Kerngeschäfts – etwa die Zulassung.

Reichwein: Ja, und zugleich eröffnen sich neue Wege, wie die digitale Zulassung durch die digitale Fahrzeugakte oder die Stufe vier des Projekts i-Kfz, welche für internetbasierte Fahrzeugzulassungen für Großkunden und juristische Personen über eine zentrale Großkunden-Schnittstelle beim KBA steht. Hier sind wir natürlich ganz eng dran die Umsetzung dieser Mammutaufgabe zu Begleiten und versuchen die Umsetzungsverantwortlichen mit unserem Praxiswissen zu beraten, um eine für alle Beteiligten funktionale Lösung zu erwirken. Wenn es unser einziger Mehrwert wäre, dass wir Fahrzeuge zulassen, dann hätten wir nicht die Größe, und auch nicht die Marktposition, die wir heute haben.

Die Digitalisierung schreitet schnell voran und wir als digitales Unternehmen müssen uns damit natürlich an erster Stelle befassen. Im Prinzip befürworten wir diesen Prozess: Alles, was dem Kunden nützt, nützt uns auch als Dienstleister. Und diese Entwicklung kommt nicht überraschend, wir hatten durchaus Zeit, uns darauf einzustellen. Bei der aktuellen Entwicklung können Unternehmen in unserer Branche als technischer Betreiber aktiv werden und die Systeme betreiben oder sich über Mehrwerte positionieren. Ich gehe davon aus, dass wir in uns in beiden Bereichen erfolgreich positionieren können.

Ich wünsche Ihnen für beides viel Erfolg. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Chefredakteur Clemens Noll-Velten  sprach mit Marco Reichwein , Geschäftsführer von PS Team 
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Chefredakteur Clemens Noll-Velten (links) sprach mit Marco Reichwein, Geschäftsführer von PS Team 
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